„Ich bin ein Nazi. Ich mag Hitler.“ So etwa lautete Lars von Triers Statement bei den Filmfestspielen von Cannes 2011, nachdem er auf sein deutsch/jüdisches Erbe angesprochen wurde. Dass er danach (für ein Jahr) zur persona non grata in Frankreich erklärt wurde, mag dem streitbaren Regisseur durchaus Freude bereitet haben: Die Lust an der Provokation zieht sich durch sein gesamtes Werk.

Als „Nymph()maniac“ 2013 angekündigt wurde, ein Film mit expliziten Sexszenen, gedreht mit Pornodarstellern, mit einer selbsternannten Nymphomanin im Zentrum des Geschehens, war die Erwartungshaltung groß: Zweiteilig sollte das neueste Machwerk des dänischen Enfant Terrible noch dazu sein, mit einer Gesamtlaufzeit von über 4 Stunden. Bei den Filmfestspielen in Cannes (bei denen von Trier inzwischen wieder willkommen war) wurde ein noch längerer „Director´s Cut“ gezeigt – auf diesen bezieht sich diese Kritik.

Joe (Stacey Martin, Charlotte Gainsbourg) bezeichnet sich selbst als Nymphomanin: Als sie in einem Hof zusammengeschlagen von Seligman (Stellan Skarsgard) gefunden wird, nimmt der sie mit nach Hause. Sie nimmt auf seinem Bett Platz, und erzählt ihm von einem Leben voller Ausschweifungen: Von den ersten sexuellen Erfahrungen als Teenager, zu „Fick-Wettbewerben“ mit Freundinnen, über die Schwierigkeiten, das Nymphomanen-Dasein kalendarisch zu planen, bis zur Unfähigkeit, etwas zu fühlen: Mit diesem Drama sollte „Volume I“ schließen.

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Natürlich stellt sich die Frage, warum man sich „Nymph()maniac“ ansehen sollte. Ebenso könnte man aber fragen: Warum nicht? Der angekündigte Skandal ist der Film nicht. Es gibt zwar explizite Sex-Szenen, aber alles Dinge, die heute jedem per youporn, pornhub etc. frei zugänglich sind.

Eher stellt sich die Frage, ob der director´s cut wirklich notwendig war: Es scheint nicht, als könnten die zusätzlichen Szenen dem Film etwas hinzufügen – es wirkt eher im Gegenteil so, als ob die längere Laufdauer den Film einer gewissen erzählerischen Dichte beraubt.

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Der Kern ist trotzdem erkennbar: Joe ist ein von Schuld und Selbsthass geprägter Charakter, der sich seine eigenen (als solche empfunden) Sünden nicht vergeben kann. Da helfen auch die Einsprüche des gütigen Seligman nichts, der meint, so schlimm wäre das Geschilderte doch nicht, er erkenne auch eine Menge Lust und Freude in Joes Erzählungen, und Joe wäre kein schlechter Mensch; alles egal: Joe selbst hasst sich.

Am stärksten, am poetischsten, ist „Nymph()maniac: Volume I“ dann, wenn von Trier Seligman Allegorien zwischen banalen Tätigkeiten (das Angeln beim Fischen) und Joes Sexerzählungen herstellen lässt: Ihr frivoles Verhalten bei der Suche nach Sexpartnern während einer Zugfahrt wäre quasi dasselbe wie das Auswerfen des Schwimmers beim Fliegenfischen. Ergänzt durch gekonnte Bildmontagen ergeben diese Szenen durchaus ansehnliche Sequenzen.

Fazit:

„Nymph()maniac: Volume I“ ist ein in Phasen poetischer Film vom dänischen Regisseur Lars von Trier. Der angekündigte Skandal offenbart sich im Film nicht, es wäre vermutlich besser, sich der Kinoversion (anstatt des etwas zu langen director´s cut) anzunehmen. Sonst spricht aber nicht viel gegen den Film. Man darf auf Teil 2, und das Ende dieser dramatischen Story gespannt sein.

Bewertung: 8 von 10 Punkten

von Christian Klosz

->>> Kritik zu Teil 2: „Nymph()maniac: Volume II“ – Lars von Trier; 2013